Wissenswertes

Multiple Sklerose – Symptome und Therapie

Die Multiple Sklerose (MS) ist eine chronische Autoimmunerkrankung, bei der ein fehlgesteuertes Immunsystem Entzündungen im zentralen Nervensystem auslöst. Die Erkrankung ist nicht heilbar und verläuft zumeist in Schüben. 

Es existieren sehr unterschiedliche Krankheitsverläufe. Besonders schwere Formen können durch verfügbare Therapien günstig beeinflusst werden. Eines der zentralen Merkmale der Multiplen Sklerose ist die Schädigung der Nervenscheiden (auch Myelinscheiden genannt), welche die Nervenfasern des zentralen Nervensystems umschließen und isolieren. Durch den zunehmenden Verlust der Myelinscheiden (Demyelinisierung) können die betroffenen Nerven ihre Signale schlechter übertragen, was zu neurologische Störungen führt. Die Entzündungsherde im zentralen Nervensystem gehen mit einem beschleunigten Abbau von Nervenzellen einher, welche in der Magnetresonanztomographie (MRT) als helle oder dunkle Flecken (auch Herde oder Läsionen genannt) sichtbar werden.

Häufigkeit
Weltweit  leben derzeit etwa 2,8 Millionen Menschen mit Multipler Sklerose; allein in Deutschland waren 2019 ca. 280.000 Menschen davon betroffen. Häufig bemerken an MS erkrankte Menschen erste Symptome im Alter zwischen 20 und 40 Jahren. In letzter Zeit treten jedoch auch immer häufiger im Kindes- und Jugendalter Krankheitsfälle auf sowie nach dem 45. Lebensjahr. 

Ob wirklich immer mehr Menschen daran erkranken oder die zunehmend bessere Diagnostik (z. B. moderne MRT-Geräte) einfach die Zahlen früherer Diagnosen ansteigen lässt, ist bisher nicht geklärt. 

Frauen sind etwa zwei-bis dreimal häufiger betroffen als Männer.

Ursachen
Die Ursachen der Multiplen Sklerose sind gegenwärtig noch nicht eindeutig geklärt. Bei der Entstehung der Krankheit scheinen verschiedene Einflüsse eine Rolle zu spielen, darunter genetische Faktoren, aber auch äußerliche. 

So scheint der Lebensstil dazu beizutragen, dass eine MS-Erkrankung ausgelöst werden kann. Das Risiko, an MS zu erkranken, wird durch Rauchen, Übergewicht im Jugendalter oder Vitamin-D Mangel deutlich erhöht. Zudem spielen bestimmte Virusinfektionen, wie eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV), eine Rolle bei der Krankheitsentstehung. Das EBV gehört zu den Herpesviren und ist weit verbreitet. MS ist hingegen eine relativ seltene Krankheit, deren erste Symptome erst etwa 10 Jahre nach der EBV-Infektion auftreten. Das Forschungsteam von Professor Dr. Alberto Ascherio (Boston/USA) veröffentlichte im Jahr 2023 bahnbrechende Studiendaten, die zeigen, dass eine vorausgegangene EBV-Infektion das Risiko an MS zu erkranken, stark erhöht. Bei anderen Infektionskrankheiten, etwa Masern, Mumps oder Röteln, zeigte sich keine solche Verbindung. 

Der Nachweis des direkten Zusammenhangs einer EBV-Infektion mit MS bietet neue Möglichkeiten, um Multiple Sklerose zu therapieren und vielleicht auch zu heilen. 

Verlaufsformen
Aufgrund der sehr unterschiedlichen Verlaufsformen wird die Multiple Sklerose auch als "Krankheit der tausend Gesichter" bezeichnet. In der Medizin wird die schubförmig-remittierende von zwei progredienten Verlaufsformen unterschieden. 

Schubförmig remittierende MS: Bei 80 bis 85% aller Patienten beginnt die MS im jungen Erwachsenenalter schubförmig. Kennzeichen von Schüben sind plötzlich auftretende neurologische Verschlechterungen. Betroffene bemerken, dass etwas nicht stimmt, z. B. dass sich ein Arm taub anfühlt oder das Sehen auf einem Auge schlechter ist. Ein solcher Schub kann mehrere Tage oder auch Wochen anhalten und anschließend wieder vollständig abklingen (remittieren). Zu Beginn treten die Schübe durchschnittlich alle zwei bis drei Jahre auf, später nimmt die Schubrate immer weiter ab.

Primär progrediente MS: Etwa 15 % aller Patienten haben zu Beginn der Erkrankung keine Schübe. Sie zeigen von Beginn an eine eher schleichende und stetige Zunahme der Symptome (progredient: voranschreitend). 

Sekundär progrediente MS: Bei einem Teil der Patienten geht die anfangs schubförmig-remittierende MS später in eine sekundär progrediente MS über. Während sich die Anzahl der Schübe dabei verringert, nehmen die neurologischen Beeinträchtigungen, wie z. B. eine Gehstörung, zu. Schließlich bleiben die Schübe ganz aus, während die Symptome immer stärker werden.

Zusätzlich wird bei jeder MS Form bewertet, ob sie entzündlich aktiv oder nicht aktiv ist. Das Auftreten von Schüben oder neue MRT Verfahren (wie die Sichtbarmachung neuer Herde mit Anreicherung von Kontrastmitteln) geben Hinweise auf eine Zunahme der Entzündungsaktivität. Die Auswertung dieser Daten ist richtungsweisend für eine auf den Patienten abgestimmte Therapie. 

Symptome
Der Pariser Neurologe und Psychiater Jean-Martin Charcot beschrieb bereits 1868 die für die Multiple Sklerose typischen Symptome, darunter das charakteristische rhythmische Augenzittern, das Zittern der Hände sowie Koordinationsstörungen beim Sprechen. 

Zu den häufigsten Symptomen bei einem Schub zählen Gefühlsstörungen (z. B. Taubheit oder Kribbeln), Bewegungsstörungen (z. B. Lähmung oder Steifheit) oder Störungen des Sehvermögens  (z. B. Doppelbilder oder Sehschärfeverlust). Da diese Symptome aber nicht zwangsläufig Ausdruck einer MS sein müssen, ist immer eine gründliche Diagnostik geboten.

Diagnostik
Um herauszufinden, ob ein Patient an MS leidet, sind mehrere Untersuchungen und Tests notwendig. 

Zunächst erfolgt für gewöhnlich eine neurologische Untersuchung. Ein Nachweis von Entzündungszellen oder bestimmten Antikörpern (auch OKB genannt) in der Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit (Nervenwasser) kann Hinweise geben, ob ein chronischer Autoimmunprozess im zentralen Nervensystem stattfindet. 

Die Magnetresonanztomographie (MRT) des Gehirns und des Rückenmarks mit Kontrastmitteln ermöglicht es bereits im Frühstadium der Erkrankung, die typischen Entzündungsherde (auch Läsionen genannt) zu erkennen. Für die Diagnose MS müssen diese Läsionen zeitlich und räumlich getrennt sein. Dieser Nachweis gelingt entweder, wenn es in einer Folge-MRT mehr Flecken gibt als zuvor oder wenn es in einer MRT gleichzeitig Läsionen gibt, die Kontrastmittel aufnehmen und andere, die dies nicht tun. Ein neuer Schub wird durch das Auftreten neuer Läsionen im Vergleich zur vorherigen MRT nachgewiesen. 

Die  Diagnosekriterien für MS wurden zuletzt 2017 überarbeitet und heißen nach einem ihrer Verfasser „McDonald-Kriterien“: Bei Vorliegen neurologischer Beschwerden, zeitlich und räumlich getrennter MS-Läsionen in der MRT und zusätzlich OKB im Nervenwasser, kann die Diagnose MS gestellt werden. Die MS ist jedoch eine Ausschlussdiagnose, so dass bei fraglichen Befunden Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen (wie Infektionskrankheiten oder andere Autoimmunerkrankungen) durch weitere Untersuchungen (z. B. Bluttests), ausgeschlossen werden müssen. 

Therapiemöglichkeiten
Bisher kann die Multiple Sklerose noch nicht durch medikamentöse Therapien geheilt werden. Aus diesem Grund zielt die Behandlung in aller Regel darauf ab, das Fortschreiten der Erkrankung zu verzögern und die Symptome zu lindern. 

Generell wird zwischen der Therapie zur Rückbildung eines Schubs (Schubtherapie) und der symptombezogenen Therapie unterschieden. Die Schubtherapie beinhaltet in der Regel die Gabe von hochdosiertem Kortison als Infusion über die Vene oder als Tablette (Kortisonstoßtherapie mit Methylprednisolon). Falls diese erfolglos bleibt, wird eine Blutwäsche (Plasmapherese oder Immunadsorption) durchgeführt. Dabei wird Blut über eine Hals- oder Armvene entnommen und mit Hilfe einer Maschine von Eiweißen „gewaschen“, die vermutlich an der autoimmunen Entzündung bei MS beteiligt sind. 

Durch  große Fortschritte in der klinischen Forschung und Entwicklung können heutzutage sehr wirksame Medikamente zur Immuntherapie eines MS-Schubs eingesetzt werden. Durch diese Medikamente, die das Immunsystem entweder verändern (Immunmodulatoren) oder dämpfen (Immunsuppressiva) können, lässt sich der Langzeitverlauf der MS und die Lebensqualität der Betroffenen verbessern. Der Einsatz der Immuntherapie richtet sich im Wesentlichen nach der Aktivität der Erkrankung. Immuntherapeutika werden hinsichtlich ihrer Wirksamkeit zur Reduktion der Schubrate (d. h. wie gut sie Schübe verhindern können) in drei Kategorien eingeteilt: 

  • Mäßig wirksam: Beta-Interferone, Fumarate, Glatirameroide, Teriflunomid 
  • Stark wirksam: Cladribin, Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor Modulatoren wie Fingolimod, Ozanimod und Ponesimod 
  • Höchst wirksam: Therapeutische Antikörper wie Alemtuzumab, CD20-Antikörper Ocrelizumab, Rituximab (off-label), Ofatumumab, Ublituximab und Natalizumab

Die höchstwirksamen therapeutischen Antikörper sind sogenannte monoklonale Antikörper, die gentechnisch hergestellt werden und sich gegen bestimmte Zielstrukturen auf Immunzellen (sogenannte weiße Blutkörperchen und deren Untergruppen) richten. Diese werden dann aus dem Blut entfernt, wodurch Entzündungsprozesse reduziert werden können. 

Leider ist es derzeit noch nicht möglich, vor Beginn einer Therapie sicher vorherzusagen, ob ein MS Patient einen Nutzen von einer Immuntherapie haben wird oder nicht. Grundsätzlich ist die Wirksamkeit von Immuntherapien bei schubförmiger MS am größten und nur gering bei primär progredienter und nicht entzündlich aktiver sekundär progredienter MS. Die Wirksamkeit hinsichtlich  Schubreduktion ist größer, je früher sie (bei hoher Krankheitsaktivität) eingesetzt werden. Die Wirksamkeit ist bei Kindern und jungen Erwachsenen besser als bei älteren Menschen. Zudem steigt mit dem Alter das Risiko für bestimmte Nebenwirkungen, z. B. Infektionen oder Krebserkrankungen. 

Zur  Gruppe der höchst wirksamen CD20-Antikörper zählen Ocrelizumab (Handelsname Ocrevus®, zugelassen 2018) sowie Ofatumumab (Handelsname Kesimpta®, zugelassen 2021) und Rituximab (Handelsname z. B. MabThera®, nicht zugelassen bei MS- nur off-label anwendbar). Ocrelizumab ist zur Behandlung der schubförmigen MS und (als einziges Medikament) unter bestimmten Bedingungen auch bei der primär progredienten MS zugelassen. Ofatumumab ist bisher nur zur Behandlung der schubförmigen MS zugelassen. 

In klinischen Studien wird die Wirkung neuer Wirkstoffe gegen Multiple Sklerose geprüft. Die Anzahl neu aufgetretener Schübe, das Auftreten einer Verschlechterung (Progression) oder neue bzw. aktive MS-Läsionen in der MRT werden zur Bewertung der Wirksamkeit des Studienmedikaments herangezogen. Zudem werden die Nebenwirkungen  erfasst. Nutzen und Risiken des zu prüfenden Wirkstoffs werden mit einem Scheinmedikament (Placebo) oder einem bereits zugelassenen Medikament verglichen und der Effekt des Studienmedikaments analysiert.

Auch bei der Charité Research Organisation führen wir immer wieder klinische Studien mit neuen Wirkstoffen zur Behandlung der Multiplen Sklerose durch. Bei Interesse, als Patient an einer solchen Studie teilzunehmen, registrieren Sie sich bitte im unteren Formular. Wir werden uns telefonisch melden und Ihnen gern unsere Studien vorstellen.

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